Von 1969 bis 1974 war Willy Brand Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschlands. Mit seiner neuen Ostpolitik wollte er mehr Entspannung mit den Staaten des Warschauer Paktes, zu denen damals auch die so genannte DDR (Deutsche Demokratische Republik) gehörte, erreichen. Außerdem sollten Kontakte in allen Bereichen zu (West) Berlin hergestellt werden, das wie eine Insel im Gebiet des Warschauer Paktes lag. Da die staatlichen finanziellen Unterstützungen sehr großzügig bemessen waren, lag es nahe, einen Vereinsausflug nach Berlin zu planen. Natürlich war die Reise gespickt mit politischen Veranstaltungen wie z.B. einer Stadtrundfahrt, einer Busfahrt mit Führung durch (Ost) Berlin, politischen Vorträgen im innerdeutschen Ministerium usw. An einem "freien" Tag war der Besuch der "grünen Woche" vorgesehen, die gerade stattfand. Die Abende (und Nächte) konnte jeder Fahrtteilnehmer nach seinem Gutdünken gestalten; doch oft standen kulturelle Veranstaltungen (in der deutschen Oper, bei den "Stachelschweinen" oder "Wühlmäusen") auf dem Programm, die von den meisten Teilnehmern genutzt wurden. Schon allein eine persönliche Begegnung mit namhaften Künstlern war für einige Teilnehmer die Reise wert.
Kurze Zeit nach Bekanntgabe war die Fahrt durch Mitglieder, deren Angehörigen und Freunden des Vereins ausgebucht. Alle Teilnehmer mussten einen gültigen Reisepass vorlegen, dessen Daten auf mehreren Listen registriert wurden. Vorab wurde eine der Teilnehmerlisten an eine heute nicht mehr existente Stelle zur Prüfung geschickt. Der damalige Dirigent der Kapelle, Kurt Götze, war zu diesem Zeitpunkt noch aktives Mitglied bei der Bundeswehr und durfte nur auf dem Luftweg nach Berlin und zurück reisen. Da mehrere Konzerte in Berlin geplant waren, konnte auf seine Anwesenheit nicht verzichtet werden. Auch dieses Hindernis wurde aus dem Weg geschafft. Eine Gemeinschaftsunterkunft wurde bei der "Orientalischen Frauenmission" (eine christliche Gemeinschaft im Süden Berlins) gebucht. Zu dieser Gemeinschaft bestanden bis zum vergangenen Jahr, der Auflösung der Frauengemeinschaft, noch persönlicher und schriftlicher Kontakt. Eine vorbereitende Zusammenkunft wenige Tage vor der Reise war für alle Teilnehmer verpflichtend.
Die Fahrt begann am frühen Morgen eines kalten Januartages und verlief zunächst planmäßig. Am Kontrollpunkt Helmstedt gab es erste Schwierigkeiten. Die Liste mit den Reisepässen erwies sich als wertlos; denn jeder musste auf einem separaten Formular erneut die Daten des Reisepasses registrieren. Nach 2 Stunden ging es weiter durch die DDR bis zum Grenzpunkt Drewitz. Dort wiederholte sich das Dilemma, so dass das Ziel erst gegen 22.00 Uhr erreicht war, wo man sehnsüchtig auf die Pfälzer wartete. Mit der zur Verfügung gestellten Reisebegleitung lösten sich ab dem nächsten Morgen das Pflichtprogramm mit der Kür ab (Zwangsumtausch von D-Mark in Ostmark) Besuch mit dem Bus und Ostberliner Reisebegleitung), verschiedene politische Vorträge und Konzerte. So vergingen die Tage und Nächte wie im Flug. Auf der "Grünen Woche", wo die Kapelle ebenfalls zum Konzert aufspielte, erlitt ein Teilnehmer der Gruppe einen Kreislaufkollaps, wurde ins Krankenhaus eingeliefert, konnte aber am nächsten Tag entlassen werden und trat die Heimreise mit dem Flugzeug an.
Nach insgesamt 5 erlebnisreichen Tagen, darunter zwei Reisetagen und drei Aufenthaltstagen in Berlin "landeten" die Musikerinnen und Musiker müde aber glücklich in ihrem Heimatort. Wochen-ja monatelang schwärmte man im Nachhinein von den Berliner Erinnerungen. Jedes mal kamen neue Details ans Licht, die wieder aufgefrischt wurden. Sogar ein "Nacharbeitsvortrag" gehörte zu dem offiziellen Programm, der gern von allen Teilnehmern besucht wurde.
Über die Kosten bzw. Unkosten sind noch folgende Bemerkungen zu verlieren: Die Privatausgaben für Souvenirs oder in Bars und dergleichen bleiben natürlich "außen vor". Für die Aktiven war der Ausflug kostenlos und alle weiteren Teilnehmer zahlten für die Fahrt einschließlich vier Übernachtungen, Frühstück mit Halbpension, Eintrittspreise für Museen und so weiter insgesamt 50.-- D-Mark, wobei die Speisen und Getränke des Abschlussabends ebenfalls enthalten waren. Angesichts dieses Betrages könnte heute eine 4-köpfige Familie vor Neid erblassen, zumal der doppelte Wert, umgerechnet in Euro kaum für einen Nachmittagsbesuch auf dem Landauer Maimarkt ausreicht.
# in eigener Sache: Auch wenn die Fahrtteilnehmerinnen in der Anrede des Berichts nicht explizit genannt werden, sind sie genau so herzlich gemeint und angesprochen wie ihre männlichen Kollegen.
pkl